Wir haben’s wieder geschafft! Drei Länder, sechs Tage und über 11.000 Höhenmeter (davon mehr als 5000 bergauf und über 6000 bergab).
Wir trotzten Regen und eiskaltem Wind und schwitzten dennoch auch oft sehr, denn die häufig steilen und langen Anstiege mit dem schweren Gepäck der Mehrtagesrucksäcke verlangten uns ganz schön viel ab. Am Sonntag, den 17. September, trafen wir uns am Augsburger Hauptbahnhof. Wir, das waren 12 Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klasse und drei Lehrer. Unser Schulhund Meru, der seit 2015 auf jedem Alpencross Begleiter war, musste dieses Jahr leider wegen gesundheitlicher Probleme daheimbleiben. Am Oberstdorfer Bahnhofsplatz begann dann bei herrlichem Sonnenschein unsere sechstägige Tour über den Alpenhauptkamm bis nach Italien. Vorbei an der Skisprungschanze, am Haus der Bergsportlegenden Anderl und Andi Heckmair und der Nebelhornbahn, führte uns der Weg zunächst flach in den Talgrund der Spielsmannsau und dann steiler über der Trettach bis hinauf auf die Kemptner Hütte (1844m), wo wir unsere erste Nacht verbrachten.
Am Montag stiegen wir über das Mädelejoch (1974m), auf dem sich die Grenze zum österreichischen Bundesland Tirol befindet, ins Lechtal ab. Nach einer Rast am beeindruckenden Roßgumpenwasserfall entschieden wir uns für die Variante über die mit über 200m Länge und über 100m Höhe größte Seilhängebrücke Österreichs. Im Talort Holzgau nahmen wir den Linienbus nach Kaisers. Leider hatte es inzwischen zu regnen begonnen und der Regen wurde immer heftiger. An eine Pause draußen war nicht zu denken, weswegen wir uns kurz in der Kaiseralm aufwärmten. Doch der Regen wollte nicht nachlassen, so dass es nichts half und wir uns bei äußerst unwirtlichen Bedingungen weitere 620 Höhenmeter zum Kaiserjochhaus (2310m) hoch kämpfen mussten. Die Hütte, die nur vom Hubschrauber aus versorgt werden kann, hatte extra für uns ihre Winterschließung um einen Tag verschoben und verwöhnte uns entgegen dem angekündigten Resteessen mit einem tollen Menü in der gemütlichen kleinen Gaststube, in der wir am Kachelofen unsere nasse Ausrüstung trocknen konnten.
Dienstagmorgen hörte der Regen glücklicherweise auf und erste Sonnenstrahlen bahnten sich einen Weg durch die dicken Wolken. Gerade rechtzeitig, dass wir nach dem Frühstück unsere Klettertour auf den Malatschkopf, den Hausberg des Kaiserjochhauses, unternehmen konnten. Danach gings mit dem Gepäck über schlammig rutschige Pfade nach Pettneu runter und von dort mit dem Linienbus nach Zams. Die Gondel der Venetbahn brachte uns zur Mittelstation, von der es nur eine Viertelstunde zur Skihütte Zams ist. Nachdem wir dort relativ früh angekommen waren, konnten wir die Zeit nutzen, um zum nahe gelegenen Speichersee zu laufen, der mit seinem eiskalten und glasklaren Wasser für uns traditionell eine Art „Mutprobe“ darstellt. Diesmal war die Sonne jedoch so warm, dass man gar nicht so viel Mut brauchte, um in die Fluten zu springen. Ein tolles Erlebnis war es trotzdem für alle, die sich überwinden konnten.
Am nächsten Morgen nahmen wir die erste Gondel nach oben, die uns in den dichten Nebel brachte, der an diesem Mittwochmorgen die Gipfel umhüllte. Als sich dieser lichtete, konnten wir bei strahlender Sonne den Venetberg umrunden und den langen Abstieg nach Wenns unternehmen. Von dort fuhr uns der Linienbus nach Mittelberg und wir erklommen am Wasserfallweg entlang in spektakulärer Kulisse die Braunschweiger Hütte, mit 2758m unsere höchst gelegene Übernachtungshütte. Obwohl diese Königsetappe unserer Alpenüberquerung ordentlich Kräfte gekostet hatte, fanden sich immer noch ein paar Unermüdliche, die den Gipfel des Karleskopf (2902m) noch vor dem Abendessen erstürmten.
Von der von Gletschern umgebenen Hütte stiegen wir am Donnerstagmorgen zum Pitztaler Jöchl auf, das mit seinen fast 3000m der zweithöchste Übergang unserer Tour ist. Noch immer sind die Gletscher sehr beeindruckend, doch wer weiß, wie sie noch vor wenigen Jahren aussahen, ist dennoch schockiert über das Tempo, in dem sie abschmelzen. Der anspruchsvolle Abstieg zum Skizentrum Hochsölden, das abschreckend zeigt, wie schlimm solche Eingriffe des Menschen in die empfindliche Hochgebirgswelt sind, bot viel Gelegenheit zum Nachdenken über den Klimawandel und unseren Umgang mit der Natur. Von der Talstation des Tiefenbachferners führte uns der wunderschöne Panoramaweg in zweieinhalb Stunden zum Bergsteigerdorf Vent, von wo aus der unendlich erscheinende Aufstieg zu unserer letzten Übernachtungshütte, der Martin-Busch-Hütte (2501m) unsere Ausdauer strapazierte.
Am letzten Tag, dem Freitag, hatten wir noch einmal mit richtig schlechtem Wetter zu kämpfen. Kalter Wind und Regen, der in Schnee überzugehen drohte, gaben unserer Etappe fast einen Expeditionscharakter. Wie erleichtert waren alle, als wir auf dem Niederjoch an der Similaunhütte mit 3019m den höchsten Punkt der Tour erreicht hatten. Wir stärkten uns noch einmal und wärmten uns auf, bevor wir auf der italienischen Seite den Abstieg zum Stausee von Vernagt, unserem Ziel, wagten. Bei unserer Abschlussrunde drückten alle den Stolz aus, der sie erfüllte, dass sie die große Herausforderung Alpencross bestanden hatten. Nicht nur das beeindruckende Naturerlebnis, auch die tragende Gemeinschaft und das Spüren der eigenen Grenzen und Möglichkeiten prägten diese unvergessliche Woche.
Autor: Sebastian Kretschmann